Aktuelles
Zweite Kita und Steuererhöhung
Rede des stellvertretenden FWL-Fraktionsvorsitzenden Dr. David Post in der öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung vom 25.06.2019
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Vorstand, sehr geehrte Gemeindevertreter, liebe Zuhörer,
wir als FWL wünschen uns, dass bei solch entscheidenden Themen das Interesse der Bevölkerung so groß ist, dass der Saal hier aus allen Nähten platzt. Einmal, damit wir Mandatsträger spüren, für wen wir die Entscheidungen treffen und andererseits damit die Bürgerinnen und Bürger einmal spüren, was für ein Druck manchmal auf den Entscheidungsträgern lastet.
Also, auf der Tagesordnung steht „Vorstellung und Planung einer Kindertageseinrichtung“, klingt erst einmal sehr positiv. Als nachfolgender Punkt steht aber bereits der damit verbundene Tagesordnungspunkt „Änderung der Steuerhebesätze“ an. Deshalb lassen sich diese Tagesordnungspunkte hier auch nicht ganz trennen.
Nun zum ersten Punkt: Bei so einer Planung steht auch erst einmal viel zu Klären an wie z.B. der Kreis der Berechtigten Kinder und Aufnahmeregeln, Betreuungszeiten, Benutzungsgebühren, ein Betreuungskonzept mit einer Leitung, Personalkonzept, Essensversorgung, ein Raumkonzept, Genehmigungen und Anträge und natürlich ein Finanzplan. Aber auch wer ist der Träger und welche Rechtsform kommt in Frage?
Aber zu aller erst drängt sich die Frage auf, warum müssen wir das überhaupt?
Bad Salzschlirf hat sich von der ältesten Gemeinde Hessens zu einer zusätzlichen kinderreichen Gemeinde entwickelte. Dies liegt interessanter weise aber nur zu einem geringen Teil an den Neubaugebieten.
Diese Entwicklung bedeutet für den Ort, dass es einen hohen Anteil im Seniorenalter und nun auch im Kindesalter gibt. Umgekehrt ausgedrückt, der Anteil der Bevölkerung im Arbeits- und Verdienstalter ist verhältnismäßig gering. Auch ohne genaue Zahlen kann man erahnen, dass hier ein finanzielles Konfliktpotential schlummert.
Für das gesamte kommende Kindergartenjahr besteht ein Platzbedarf für vermutlich 58 zusätzlichen Kindern. Das entspräche mindestens 2 zusätzlichen Gruppen zu den schon bestehenden 6 des katholischen Trägers.
Gibt es denn Alternativen zu einer Kindertagesstätte?
Ja, die könnte es geben in Form von einem Art Waldkindergarten am Sonnenobservatorium, über Kindergartenplätze in Nachbarkommunen bis hin zu Tagesmutterkonzepten. Gemeinsam ist all diesen Alternativen, dass sie auch alle Geld kosten, ggf. Personal benötigen und vor allem auch eine Vorbereitungszeit von rund 1 bis 2 Jahren benötigen.
Für eine zweite Kindertagesstätte gibt es sogar einen hervorragend ausgearbeiteten modularen Plan für das Gemeindezentrum des Architekten Andreas Reus. Umbauzeit ebenfalls 1-2 Jahre.
Der einzige akute Ausweg aber scheint im Moment nur die Einrichtung einer Notgruppe zu sein. Aber auch diese ist auf 9 Monate begrenzt und wäre voraussichtlich nicht ausreichend.
Zusammenhang Kindertagesstätte, Haushalt und Steuererhöhung
Für die FWL-Fraktion stand und steht fest, dass eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuern an letzter Stelle der Möglichkeiten zur Haushaltssicherung steht.
Trotz aller Bemühungen wird es Bad Salzschlirf leider wohl nicht schaffen, ohne Steuererhöhungen in das Jahr 2020 zu kommen. Doch zumindest für 2019 rechnen wir noch mit der Möglichkeit einer Entlastung des Haushaltes durch Optimierungen Einsparpotential und vor allem durch die Versprechen des Landes für Entlastungszahlungen zu sorgen. Sollten die Entlastungswirkungen durch Bund, Land und Kreis aber ausbleiben, steht Bad Salzschlirf vor einer finanziellen Katastrophe.
Ziel der Mandatsträger ist es aber auch, Steueranhebungen zu vermeiden oder zumindest für die Bürger stark zu begrenzen!
Es ist unsere Pflicht Belastungsverschärfungen abzumildern, aber andererseits einen funktionierenden Haushalt und eine funktionierendes Gemeindewesen auf dem Land zu ermöglichen. Das heißt also für uns Entscheidungsträger, wir stecken in einer Zwickmühle.
Für die FWL-Fraktion sind die vorgesehenen rückwirkenden Steuer-Erhöhungen solange nicht hinnehmbar, solange darüber spekuliert werden muss, ob der Bedarf an Plätzen so überhaupt da ist. Auch sind wir von den Entscheidungen Dritter abhängig, da wir nicht wissen, ob wir von den möglichen Ausgleichszahlungen zur Unterstützung der Kindertagesplätze profitieren können oder nicht. Dies ist für uns nahezu die gleiche Situation wie Anfang des Jahres, als der jetzige Haushalt verabschiedet wurde.
Fangen wir einmal mit dem Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen an
Nur einmal zwei Beispiele, die klar machen, wie variabel diese Zahl 58 ist. Es gibt viele Eltern, die bereits zur Geburt den Bedarf angemeldet haben und das Kind aber zusätzlich in einer anderen Einrichtung angemeldet haben um sicher eine Platz zu bekommen. Dieses Kind wird aber nur einen Platz belegen. Weiterhin werden durch die Veränderungen im letztem Jahr die Randzeiten und die U3-Betreuung deutlich teurer. Werden dann Eltern von z.B. 2 oder mehr Kindern Ihren Anspruch noch gelten machen, wenn sie zukünftig deutlich mehr im Monat für die Betreuung Ihrer Kinder ausgeben müssen? Gibt es vielleicht auch Eltern, die ohnehin von einem Platz absehen und nur angemeldet haben, weil die Wartezeit so lange ist?
Nun zu den Kosten
Im Landesdurchschnitt bleiben die Kommunen trotz Beitrag vom Land und Elternbeiträgen auf zwei Dritteln der Kosten sitzen. Wohlhabende Kommunen entscheiden sich dann, diesen Restbetrag selbst zu stemmen. In unserer Gemeinde wird die Kindertagesstätte mit dem neuen Gesetz sowohl im Durchschnitt für die Eltern als auch für die Kommune teurer.
Was bedeutet das für Eltern?
Der Monatsbeitrag für die Ganztagsbetreuung von Kindern über drei Jahre wird sich erhöhen. Für Kinder unter drei Jahren zahlen die Eltern künftig deutliche mehr Geld. Eine Familie mit einem 2- und einem 4-jährigen Kind, beide in Ganztagsbetreuung, zahlt so künftig einmal schnell mehrere hundert Euro im Monat. Schuld ist das Gesetz der letzten Landesregierung, den Kindergartenbesuch für Kinder über drei Jahre sechs Stunden am Tag kostenlos zu machen, und den Kommunen dafür eine viel zu niedrige Pauschale von 135,60 Euro zu zahlen. Diese hohen Kosten führen nicht zu dem geplanten Ziel der guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Weiteres Dilemma für unsere Kommune ist der dadurch entstandene Konflikt Steuererhöhung oder unangemessene Kindertagesstättengebühren
Der stellvertretende Sprecher des Sozialminsteriums Markus Büttner bekräftigte im Februar (hr-Anfrage) die Meinung der Landesregierung: Die Kinderbetreuung sei Aufgabe der Kommunen, die vom Land dafür mit Geld ausgestattet werden. Durch die hohen Steuereinnahmen stiegen die Zuweisungen an die Kommunen, so dass eine gute Kinderbetreuung nicht nur sinnvoll, sondern auch möglich sei.
Als Antwort auf die Frage der Finanzierung kommt wiederum aus dem Landesrechnungshof die Aussage, dass die Kommunen die Elternbeiträge durchaus noch deutlich höher erheben dürften. Welch eine Ironie zum kostenlosen Kindertagesplatz.
Nächstes Dilemma ist die Personalplanung einer zusätzlichen Kindertagesstätte
Einzelgruppen, Randzeiten, Ganztagsbetreuung machen der Gemeinde besonders hohe Verluste aufgrund des ungünstigen Personalstamms. Planen wir aus Haushaltsgründen nun eine für Eltern unattraktive Kindertagesstätte? Bekommen wir dann dafür qualifiziertes Personal, das dann Lust hat dort zu arbeiten? Wie lange können wir einen Arbeitsplatz garantieren? Alles Entscheidungen mit einem sehr variablen finanziellen Effekt.
Was wir auf jeden Fall wissen ist, expansive Personalpolitik gefährdet nachhaltig zukünftige Haushalte.
Sollte Bad Salzschlirf nun die Steuern und Gebühren rückwirkend erhöhen, obwohl wir gar nicht wissen, was wir an Personal finanzieren müssen?
Was ist mit der Grundsteuerreform?
Bundesfinanzminister Olaf Scholz musste bekanntlich bis Ende des Jahres die Grundsteuer reformieren. Auch das wird unbekannte Auswirkungen auf die Grundsteuer und damit auf unsere Finanzen haben, einmal für die Bürger und andererseits für die Kommune. So gesehen könnte es für die leidgeprüften Bad Salzschlirfer noch richtig heftig werden.
Was bedeutet denn die mögliche Steuererhöhung?
Gehen wir von ungünstigen Bedingungen aus, dann würde das aus unserer Sicht für eine Eigentumswohnung rund 60€ und für ein durchschnittliches Einfamilienhaus rund 220 bis 360€ jährlich an Mehrbelastung bedeuten. Und das Ganze rückwirkend für 2019.
Ab 2020 rechnen wir, auch aus anderen Gründen, mit einem nochmaligen Anstieg der Steuern. Somit werden uns die Kindergartenplätze als ein Hauptgrund ab dem nächsten Jahr voraussichtlich in die Top 10 der höchsten Grundsteuer-Hebesätze in Hessen führen.
Wir von der FWL-Fraktion haben das Gefühl, der ländliche Raum und auch kinderreiche Kommunen werden im Moment benachteiligt.
Die letzten Haushalts-Jahre waren davon geprägt, primär nur nach möglichen Einsparpotentiale zu suchen, eine wirkliche umfassende stabilisierende Form hat aber nicht stattgefunden.
Wir rufen hiermit auch die anderen Fraktionen, den Bürgermeister und die Bürger dazu auf, den Ministerien, insbesondere der eigenen Parteien, in Hessen und dem Landkreis Fulda deutliche zu machen, wo unser Dilemma steckt.
Bad Salzschlirf befindet sich ohnehin in einer schwierigen finanziellen Lage. Um den Schuldenanstieg zu bremsen hat die Gemeinde bereits die Belastung ihrer Bürger angehoben. Wer die Haushaltsdisskussionen mit verfolgt hat, weiß, dass hier bereits reichlich schmerzhafte Einsparungen und Kostensteigerungen getroffen wurden und akut kein Potential mehr vorhanden ist, Bad Salzschlirf aber dennoch in einem massiven Investitionsstau steckt. Dazu kommt nun noch massiv die Problematik der Kinderbetreuung.
Hier muss nun noch weiter gedacht werden: Zum Beispiel sollte der von der FWL-Fraktion vor Jahren eingebrachter Vorschlag der echten interkommunalen Zusammenarbeit vorangebracht werden. Unsere Kommunen müssen noch viel, viel verstärkter kooperieren.
Auch muss dem Kreis und dem Land klar gemacht werden, dass es ein Überleben des Bades Bad Salzschlirf nur gibt, wenn die Versprechen auf Kreis- und auf Landesebene eingehalten werden, für Entlastungszahlungen zu sorgen.
Wir von der FWL-Fraktion hoffe inständig, dass allen Bürgerinnen und Bürger von Bad Salzschlirf in diesen Tagen klar wird, in welcher Situation sich Bad Salzschlirf befindet. Wir hoffen auch, einigermaßen die Hintergründe erläutert zu haben, die dazu geführt haben warum so mancher Beschluss getroffen wurde und noch getroffen werden muss.
Vielen Dank!